Die Outdoorgallery von Danzig
Jadwiga Charzynska
Die Stimulierung und Thematisierung des öffentlichen Raums durch künstlerische Eingriffe ist eine äußerst komplexe Angelegenheit. Voraussetzungen sind die genaue Wahl des Standortes, die Zusammenarbeit mit Anrainern sowie das Aufgreifen äußerer Bedingungen. Es gibt viele gelungene Beispiele, aber auch verfehlte Projekte, und bei all dem ist „der Einfluss künstlerischer Projekte auf die gesellschaftlich-ökonomischen Herausforderungen (…) sehr schwer zu ermessen.“(1)
Am Anfang steht immer eine Idee. Im Jahre 2005 haben wir das
Projekt Die Outdoorgallery der Stadt Danzig (GZMG) aus der Taufe gehoben. Es entstand aus dem Bedürfnis heraus, das Gesicht von Dolne Miasto, einem – trotz exponierter Lage – vernachlässigten und „vergessenen“ Stadtviertel, nachhaltig zu verändern. Bei den Planungen für die sich über mehrere Jahre erstreckende Projektrealisierung hatten wir uns auf den städtebaulichen Entwicklungsplan dieses Stadtviertels bezogen – sowohl unter historischen Aspekten als auch unter Berücksichtigung heutiger Bedingungen. Dies war der Beginn der Mitwirkung des Zentrums für Gegenwartskunst Łaźnia an der Gestaltung des öffentlichen Raums in seiner unmittelbaren Nähe.
Wir haben Kuratoren aus ganz Europa für die Zusammenarbeit gewinnen können. Die Ausschreibungsrichtlinien sahen u. a. vor: „Ein Kunstwerk, das im Rahmen der Outdoorgallery der Stadt Danzig realisiert werden soll, muss an die Idee der Revitalisierung des Stadtviertels Dolne Miasto anknüpfen. Durch seine moderne Form und seinen zur Reflexion anregenden Inhalt sollte es eine inspirierende künstlerische Realisierung darstellen.“(2) Zur Konzeption des Projektes gehörte daneben nicht nur die Zusammenstellung einer Sammlung von Kunstwerken im öffentlichen Raum, sondern – gleichwertig – auch die Bildungsarbeit.
Ein vom Bürgermeister der Stadt Danzig ins Leben gerufener Organisationsausschuss bestimmt gemeinsam mit den Koordinatoren und der Jury alle zwei Jahren den Ort für die Projektrealisierung und wählt dann im Rahmen einer geschlossenen Ausschreibung die zu realisierenden künstlerischen Vorschläge aus. Die Ausführung der bislang besten Projekte wurde mit anstehenden Baumaßnahmen in den Straßen von Dolne Miasto verbunden. Es verleiht dem Stadtviertel sowohl neue Qualität als auch neue Funktionalität und lässt es zu einem offenen, freundlichen und in der urbanen Landschaft Danzigs einmaligen Ort werden.
Bisher wurden vier Ausschreibungsrunden für permanente Arbeiten im öffentlichen Raum durchgeführt – permanente Kunstprojekte, denn die Ausschreibungsregeln verpflichten die Teilnehmer dazu, Projekte einzureichen, die auf mindestens zehn Jahre angelegt sind. Die bisher ausgewählten und realisierten Projekte verbessern nicht nur die ästhetische Qualität des Raumes, in dem sie sich befinden, sondern bergen auch Chancen zur sozialen Aktivierung der Anwohner. Unter einer Eisenbahnbrücke, die bisher als eine Art Barriere zwischen den Vierteln Śródmieście und Dolne Miasto wahrgenommen wurde, entstand als erstes Projekt das Studio LKW Gallery von Lex Rickers und Daniel Milohnic. Dieser bis vor kurzem noch unwirtliche Ort ist nun zu einem Tor des Stadtviertels Dolne Miasto geworden. Seit Frühlingsanfang hört man dort die Stimmen von Teilnehmern verschiedener Workshops und anderer Zusammenkünfte.
Die Teilnehmer der vierten und letzten Runde unserer Ausschreibung, zu deren Siegern Thorsten Goldberg gehört, wurden vom Moltawa-Ufer inspiriert. Goldbergs unprätentiöse Art und die Leichtigkeit seiner Werke waren entscheidend dafür, dass er für die Ausschreibung nominiert wurde.(3) Sein Projektvorschlag Pink occurrence erhielt den ersten Preis und wurde von der Jury zur Realisierung vorgeschlagen – komplementär zur ebenfalls ausgezeichneten Arbeit von Bert Theis Die Blinden. Goldbergs Projekt wird die Arbeit von Bert Theis um eine weitere Dimension ergänzen. „Mit seinem flüchtigen Charakter sowie dem Moment freudiger Überraschung, die es bei Passanten auslösen wird, verfügt es über das Potenzial, einen Treffpunkt zu kreieren,“(4) begründete die Jury ihre Entscheidung.
Fünf Kunstwerke prägen nun das Gebiet von Dolne Miasto – die aus den zwei ersten Ausschreibungsrunden hervorgegangenen Sieger, d. h. die bereits erwähnte LKW Gallery und das Invisible Gate-Projekt (1. Runde) sowie das Malerei-Projekt Under cover von Esther Stocker und die Installation Staging anonymous von Dominik Lejmann (2. Runde). Im Jahre 2011 wurde die LichtInstallation Amber Drops als erstes von drei Kunstwerken der dritten Ausschreibungsrunde realisiert.(5) Die entstandenen Arbeiten wurden an Orten platziert, die die geschlossene urbane Struktur des Viertels mit dem Rest der Stadt verbinden und derartig Tore bilden, die nun durch die künstlerischen Arbeiten ästhetisch definiert sind. Auch das Projekt Pink occurrence soll, zusammen mit dem Projekt Die Blinden, in Form einer künstlerischen Intervention zu einem weiteren Tor werden, das zu Dolne Miasto führt. Goldbergs Idee fügt sich hervorragend in die Konzeption der Schaffung von lebendigen, gesellschaftlich aktiven Orten.
Piotr Winskowski betont, dass zur Revitalisierung eines Stadtviertels durch Kunstwerke im öffentlichen Raum „eine breite Erkundung der gegebenen sozialen Situation des Ortes und des kulturellen Potenzials, dessen, was schon da ist“ gehört, aber auch „die Anregung zum Formulieren von kulturellen Erwartungen hinsichtlich der Veränderungen, die am gegebenen Ort eintreten sollten“.(6) Diese Definition beschreibt treffend auch die Tätigkeit des Zentrums für Gegenwartskunst Łaźnia.
Parallel zur Ausschreibung wird ein intensives Bildungsprogramm durchgeführt. Bei einigen Projekten findet bereits ein Dialog mit den Anwohnern statt, der auch lokale Aktivitäten junger Leute hervorrufen soll. Dieser Idee diente u. a. der WorkshopZyklus Die Wanderer. Kinder und Jugendliche lernten einerseits die Geschichte des Viertels kennen und andererseits negative Emotionen und Alltagsprobleme verarbeiten zu können, indem sie Bilder malen, Filme drehen, Spielplätze verschönern und jene digitale Techniken kennenlernen, die heutzutage in allen Lebensbereichen angewandt werden. Durch das Eröffnen der LKW Gallery im Jahr 2008 hat das Zentrum für Gegenwartskunst sein Angebot an Workshops und künstlerisch-didaktischen Veranstaltungen auch dahingehend erweitert, junge Leute zur Selbstfindung zu ermutigen.
In diesem gemeinschaftlichen Sinne wurde Thorsten Goldberg als Künstler vom GZMG eingeladen, der mit Pink occurrence den Betrachter zur Interaktion auffordert. Die Bereitschaft, die Brücke zu überqueren, wird mit der unmittelbaren, persönlichen Erscheinung der Wolke beantwortet.
(1) Adam Jeans, Sztuka nie zmienia świata, ale pomaga mu dostrzec zmianę: rewitalizacja miast poprzez kulturę współczesną, in: Kultura dla rewitalizacji. Rewitalizacja dla kultury, hrsg. von L. Nyk, J. Szczepański, A. Kulazińska, Gdansk 2010, S. 57.
(2) Vgl. die GZMG-Ausschreibungsordnung.
(3) Dank Eulalia Domanowska, die uns eine Ausstellung mit dem Künstler vorschlug und damit den Hinweis auf ihn gab.
(4) Das Jury-Verdikt der vierten Ausschreibungsrunde des Wettbewerbs der „Outdoorgallery der Stadt Danzig“ (GZMG), Gdańsk 2011.
(5) Mehr Informationen zu den Gewinner-Projekten unter: www.laznia.pl.
(6) Piotr Wisnkowski, Dzieło rewitalizacji jako obiekt po-sztuki?, in: Kultura dla rewitalizacji. Rewitalizacja dla kultury, hrsg. von L. Nyk, J. Szczepański, A. Kulazińska, Gdansk 2010, S. 62.