Curtain.mov
 

2002 im Martin-Gropius-Kranken­haus der Landesklinik Eber­swalde im Auftrag des Landes­bauamtes Bernau und des Minis­teriums der Finanzen Bran­den­burg realisiert.

Ein aufgestän­derter Gang verbindet auf 60 m Länge das Haupt­ge­bäude der Klinik mit dem Wirtschafts­ge­bäude und führt in ca. 3 m Höhe durch Park und Kräuter­garten. Der Gang ist zu beiden Seiten voll verglast und bietet freien Ausblick auf die umliegende Park­land­schaft. An einer über die gesamte Länge des Ganges laufenden Schiene ist ein Vorhang ange­hängt. Er ist in der Tradi­tion englis­cher Raum­tex­tilien aus feinem geschmei­digen Stoff doppelt genäht und gefüt­tert, um einen schönen und gleich­mäßigen Faltenwurf auszu­bilden. Mit 460 cm Breite und ca. 270 cm Höhe nimmt er ein Dreizehntel der Länge des Verbindungs­ganges ein. Durch einen motor­be­triebenen Seilzug bewegt sich der Vorhang sehr langsam, an der Schwelle zur Wahrnehmung, inner­halb von zwölf Stunden durch den gesamten gläsernen Verbindungs­gang. Der Vorhang ist ein in der Kultur- und Kunst­geschichte häufig verwen­detes Mittel der Insze­nierung. Neben dem Diskurs zum Faltenwurf, in dem die Harmonie des Ganzen betont wird, spielt er mit Neugierde, Wirk­lichkeit und Fantasie. So führt Jacques Lacan 1964 an: „Wenn man einen Menschen täuschen will, braucht man ihm nur das Bild eines Vorhanges vor Augen halten, d. h. das Bild von etwas, jenseits dessen er zu sehen verlangt.“ Bei dem sich unmerk­lich bewe­genden Vorhang geht es um Verstecken und Entdecken, An- und Abwe­sen­heit. Jede einzelne Posi­tion des Vorhanges führt zu einem neuen Davor und Dahinter, einer wech­sel­nden Insze­nierung des Raumes und der Land­schaft. Aus feinem Stoff und mit aufwendigem Faltenwurf genäht, ruft der rote Vorhang Assozi­a­tionen an einen Bühnen­vorhang hervor. Die erhöhte Posi­tion des gläsernen Durch­ganges verstärkt diesen Eindruck und erklärt die Land­schaft zur Bühne. Der Titel curtain.mov verweist auf die Dateien­dung digi­taler Videos: Der Gang erin­nert mit seiner Fenster­rasterung an die Time­line eines Videoschnittpro­gramms, durch den die Fläche des roten Vorhanges in Slow Motion zieht. Mit gleich­bleibender Geschwindigkeit von 1,2 mm pro Sekunde bewegt sich curtain.mov unge­fähr 720-mal langsamer als ein Mensch, der für das Durch­queren des Ganges nur eine Minute benötigt. Die mobile Farbfläche des Vorhanges rhyth­misiert im Zusam­men­spiel mit den Vertikalen der Stahlträger den Durch­gang und dessen Umraum. Die Auss­chnitte der Land­schaft werden dadurch unmerk­lich, aber kontinuier­lich verän­dert, die Blick­achsen gegliedert und akzen­tu­iert – Land­schaft und Natur erscheinen in immer neu propor­tion­ierten Rahmen.

Fotos: Thorsten Goldberg